Mode und Zukunftsmusik

17.01.2022 Juliane Schälicke

Abwicklung des Außenhandels über Blockchain wird zunehmend realer

Der Mittelstand ist nach wie vor hart umkämpft. Insbesondere im Außenhandel gilt es auch für Sparkassen, modern, sicher, zügig und schlank Geschäfte für ihre Kunden abzuwickeln. Den ressourcenintensiven und dokumentenlastigen Außenhandel für die Sparkassen-Finanzgruppe in Zukunft modern aufzustellen, daran arbeitet seit geraumer Zeit ein Initiativ-Team, bestehend aus S-Servicepartner und Landesbanken. Mit dem Marco-Polo-Netzwerk wurde eine Plattform gefunden, die – das kristallisiert sich zunehmend heraus – mit ihrer Blockchain-Technologie eine echte Alternative zum klassischen Trade-Finance-Geschäft darstellt. Der S-Servicepartner bündelt die Interessen der Sparkassen und ihrer Kunden im Projekt und testet die Plattform auf ihre Praxistauglichkeit. Jürgen Nagel, neben Robert Seelen einer der beiden Projektleiter im S-Servicepartner, berichtet:

Blockchain_Jürgen_Nagel


„Wir arbeiten hart daran, den Sparkassen und S-Internationals in absehbarer Zeit den Zugang zu dieser digitalen Trade-Finance-Welt zu ermöglichen. Mit dem Projekt NePoSiA (Neupositionierung der Sparkassen im Auslandsgeschäft) macht sich die Sparkassengruppe fit für die Zukunft. In unseren Augen fügt sich unser Blockchain-Projekt hervorragend in das Zielbild von NePoSiA ein. Es wäre daher sehr spannend, die Aktivitäten und Anstrengungen zusammenzuführen und gemeinsam an der Einführung in der Gruppe zu arbeiten.“

Zwei Jahre nach dem Beitritt ins Marco-Polo-Netzwerk ist die Bilanz erfreulich: Mehrere erfolgreiche Pilottransaktionen, erste Live-Transaktionen der Landesbank Baden Württemberg (LBBW) mit echten Handelsdaten, geplante Live-Transaktionen des S-Servicepartners mit seinen Partnersparkassen im nächsten Jahr sowie die Aussicht auf eine Anbindung der Plattform an das Kernbankensystem OSPlus zeigen, dass Blockchain im Trade-Finance der Sparkassen-Finanzgruppe bald keine Zukunftsmusik mehr sein muss.

Pilottransaktionen erfolgreich

Um die Plattform auf Herz und Nieren zu testen und Anforderungen von Kunden und Sparkassen zu identifizieren, hat das Projekt schon einige Pilottransaktionen durchgeführt. Mit dabei: eines von Deutschlands wohl bekanntesten Modelabels. Mit einer Pilottransaktion ist das Unternehmen in die Zukunftswelt des Marco-Polo-Netzwerks eingetaucht. Simuliert wurde die Abwicklung eines Handelsgeschäfts mit einem der größten Mode- und Textilunternehmen in Indien. Innerhalb weniger Minuten wurde das Geschäft geschlossen, abgesichert und bezahlt. Test – erfolgreich! Peter Meinhardt aus der Kreissparkasse Reutlingen ordnet dies ein: „Die Blockchain-Technologie hat unterschiedlichste Anwendungsfelder. Das Marco-Polo-Netzwerk bedient sich dieser Technologie, um eine weltweite Trade-Finance-Plattform bereitzustellen. Die Vorteile sind immens. Wir möchten proaktiv an diesen Entwicklungen teilhaben, um uns frühzeitig strategisch zu positionieren.“

Robert Seelen, Co-Projektleiter im S-Servicepartner, hat die Pilotierung direkt mitbegleitet und zeigt sich sehr zufrieden:

Blockchain_Robert_Seelen

 

„Wir sind froh und stolz, auch eine bekannte Modemarke und ihre Hausbank für unser Projekt gewonnen zu haben. Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Sparkassen und ihre Kunden erwarten zunehmend digitale Lösungen von uns. Mit unserer Trade-Finance-Plattform können wir ein bisher sehr traditionelles Geschäft in die Zukunft führen. Das positive Feedback der Kunden bestärkt uns in unseren Aktivitäten im Projekt.“

Weiterentwicklungen für Sparkassen im Blick

Das Interesse an der Blockchain-Plattform im Internationalen Geschäft lockte rund 120 Teilnehmer am 30. November in das zweite Online Seminar des S-Servicepartners. Experten aus Sparkassen, Verbänden, Landesbanken, Finanz Informatik und S-Internationals informierten sich zu den aktuellen Entwicklungen. Jürgen Nagel fasst zusammen: „Im Marco-Polo-Netzwerk konnten viele Weiterentwicklungen umgesetzt werden. Zugegeben: Wir hätten uns noch mehr Fortschritt gewünscht – aber bei vielen internationalen Akteuren, vielen Anliegen und Interessen können nicht alle umgesetzt werden. Für unsere Sparkassen-Finanzgruppe ist wichtig, dass die Plattform nicht eine isolierte Insellösung sein wird, sondern eine Anbindung an das OSPlus hat, um medienbruchfrei die Vorgänge bearbeiten zu können.“ Die technische Machbarkeit konnte die Finanz Informatik im Rahmen einer seitens des S-Servicepartners in Auftrag gegebenen Vorstudie in diesem Jahr bereits nachweisen. Die Finanz Informatik, die das Projekt in dieser Phase im Übrigen hervorragend unterstützt hat, demonstrierte anhand eines Prototyps sehr anschaulich, wie eine Integration der Funktionalitäten in das Kernbanksystem OSPlus aussehen könnte.

Der S-Servicepartner und die Landesbanken sind die Stimme der Sparkassen in das Marco-Polo-Netzwerk. Sie reichen die in Pilottransaktionen und System-Tests gewonnenen Erkenntnisse in das Netzwerk ein, um die Plattform im Sinne der Sparkassen-Finanzgruppe weiter zu entwickeln. Einige Themen sind dabei besonders wichtig für Sparkassen und durchaus speziell, z. B. die Umsetzung der teilweise bestehenden Kooperationen mit den Landesbanken. Dies ist nötig, damit alle, auch kleine Sparkassen, an dem Netzwerk partizipieren können. Aber auch allgemeine Optimierungsansätze an der Plattform, wie z. B. Vereinfachungen bei der Bedienung der Programmanlage oder beim Matching von Datensätzen, werden vom Initiativ-Team eingereicht – damit trägt die Sparkassen-Finanzgruppe wesentlich zur Weiterentwicklung bei. Auch beim Releasemanagement haben die Experten im S-Servicepartner alle Änderungen im Blick und bewerten diese für die Umsetzung im Prozess. Übrigens: Auch die Entwicklung eines Rulebooks für das Payment Commitment, das den juristischen Rahmen für die Nutzung der Plattform bei der Abwicklung von Handelsgeschäften bilden wird, ist bereits weit fortgeschritten. Annette Köhler, Juristin in der Berliner Sparkasse, unterstützt hier das Projekt tatkräftig.

Nach Pilottransaktion folgen Live-Transaktionen

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Auf großes Interesse stieß auch der Gastbeitrag von Med Ridha Ben Naceur aus der LBBW. Gemeinsam mit einem Kunden ist die LBBW schon einen Schritt weiter gegangen und hat erste Live-Transaktionen durchgeführt. Werden in den Pilottransaktionen historische Daten zugrunde gelegt, so hat man in den Live-Transaktionen echte Geschäfte abgewickelt. Das Fazit: Die Plattform ist nicht nur eine schöne Theorie, sondern mittlerweile auch praxiserprobt. Das Payment Commitment ist bereits jetzt eine gute digitale Alternative zum Akkreditiv oder auch zu den Open-Account-Zahlungen. Die Zeichen sind positiv, auch wenn noch nicht alle mit Payment Commitment verbundenen Funktionalitäten produktiv getestet werden konnten. Denn die Vorteile liegen auf der Hand:

  • Die Plattform „matcht“ automatisch: Bestell-/Rechnungs- und Liefer-/Logistikdaten werden automatisch abgeglichen, eine manuelle Prüfung von Akkreditivdokumenten bei den Banken kann entfallen. Das spart Zeit und Geld, sowohl bei den Banken als auch auf Kundenseite.
  • Alle Prozessbeteiligten können nahezu in Echtzeit den aktuellen Status des Geschäfts erkennen, egal, welcher der Geschäftspartner gerade auf der Plattform aktiv ist.
  • Die Technologie bietet für Käufer und Verkäufer eine hohe Sicherheit.
  • Zeitvorteil: Im konkreten Beispiel wurde um 14:00 Uhr die Transaktion gestartet, um 14:21 Uhr war der Vorgang abgeschlossen.

First-Mover gesucht

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Auch der S-Servicepartner bietet ab sofort den Sparkassen und S-Internationals an, als sogenannter „First-Mover“ die ersten Live-Transaktionen zu starten. Hierfür warb Robert Seelen ausdrücklich und ermunterte interessierte Institute, Kontakt zum S-Servicepartner aufzunehmen. „Aber auch wenn Sie sich für Ihr Haus noch keine Live-Transaktionen vorstellen können, freuen wir uns, Sie als weiteren Partner in unserem Projekt begrüßen zu dürfen“, ergänzte er seinen Aufruf an die Sparkassen und S-Internationals.

Schritte in die Realität

Natürlich ist insbesondere in der Projektphase der Weg hin zur erfolgreichen Transaktion ein langer. Das Umfeld und die Projektarbeit sind agil, denn die Plattform ist noch unbekannt und mit einer agilen Herangehensweise nähert man sich Schritt für Schritt den einzelnen Themen, und das zusammen mit anderen internationalen Großbanken und Unternehmen. Inzwischen wurde schon viel erreicht: Das Onboarding der Kunden auf die Plattform wurde optimiert, die Nutzungs- und Lizenzverträge sind mittlerweile in deutsches Recht umgesetzt worden und somit auch für Kunden der Sparkassen und Landesbanken annehmbar. Und auch die Anbindung der Plattform an das Kernbanksystem OSPlus ist ein weiterer Schritt, damit die Blockchain-Technologie und der digitale Außenhandel vielleicht bald tatsächlich Realität werden können, statt Zukunftsmusik zu bleiben.

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