Herausforderung Mengenschwankungen: Wie können Ressourcen flexibel eingesetzt werden?

17.07.2023 Juliane Schälicke

„Neugeschäft mit privaten Immobilienkrediten sinkt um Hälfte“, schreibt das Handelsblatt am 6. Juni, gestützt durch Einschätzungen der Beratungsfirma PricewaterhouseCoopers (PwC). Die Zinswende 2022 hat für einen drastischen Einbruch des Geschäfts gesorgt. Wohneigentum ist für Privatkunden kaum bezahlbar. In den vergangenen zwei Jahren haben sich die Zinsen fast vervierfacht. Hinzu kommen höhere Baukosten sowie gestiegene Energie- und Lebenshaltungskosten.

Auswirkungen auf die Marktfolge

Die Baufinanzierung: vor Jahren noch ein regelrechter Boom, heute der Einbruch. Kaum ein Beispiel zeigt so schonungslos, wie schnell sich ein veränderter Markt auf Banken und Sparkassen sowie auch deren Mitarbeitende auswirken kann. Hinzu kommen auch in diesem Bereich die Standardisierung und Digitalisierung. Selbst beim einst so Know-how-intensiven Kreditgeschäft halten zunehmend einfache, schlanke Prozesse Einzug.

Grund genug, genauer hinzuschauen. Welche Auswirkungen haben Standardprozesse und stark schwankende Mengen auf die Mitarbeitenden? Welche Skills benötigen sie in der Zukunft? Wie kann ein Umdenken funktionieren? Welche klugen Personalkonzepte braucht es, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein und Mitarbeitende zu motivieren?

Standard hilft beim Personalumbau

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Kathrin Frommann, die die Einheit Privatkredite im S-Servicepartner Norddeutschland leitet, berichtet: „Aktuell haben wir eine besondere Situation. Die Einführung von Standardprozessen für große Kunden trifft zeitgleich auf reduzierte Mengen. Das bedeutet: Die Aufgaben dauern nicht mehr so lang und werden gleichzeitig auch weniger. Unsere Maßnahmen: Mitarbeitende umqualifizieren, kurzfristig in anderen Bereichen aushelfen oder Sonderaufgaben und Aufräumaktionen bearbeiten sowie neues Personal anlernen.“

Für den Standort Hamburg ist die aktuelle Zeit auch eine Chance zum Personalumbau. „Der demografische Wandel ist ein wichtiges Thema. Wir haben sehr gut qualifizierte Mitarbeitende, die teils schon 20 oder 30 Jahre Baufinanzierungen bearbeiten. Wenn sie in Rente gehen, verlässt uns auch ihr Wissen. Um dem vorzubeugen, stellen wir schon jetzt neue Menschen ein und lernen sie an. Der Vorteil: Dank des eher einfachen Standard-Prozesses können wir auch Nichtbanker wie Bürokaufleute einstellen.“

Neue Kompetenzen gefragt

Welche Skills benötigen sie, um die neuen Themen zu lernen? Eine Affinität zu Technik, da viele unterschiedliche Programme genutzt werden, eine gute Auffassungsgabe und die Bereitschaft, sich in neue Themen einzuarbeiten. „Unsere erfahrenen Mitarbeitenden können unseren Quereinsteigern eine sehr gute Ausbildung geben. Dabei lernen sie nicht nur, welche Taste sie wann drücken müssen. Sie erfahren auch Hintergrundwissen, z. B. zum Grundbuchrecht. Diese Ausbildung macht beiden Seiten Spaß“, führt Kathrin Frommann aus.

Für andere Mitarbeitende ist die Einführung einfacher Standardprozesse der Anstoß, sich nach neuen Aufgaben umzuschauen. „Früher hatte die Marktfolge noch eine sehr kontrollierende Wirkung in der Abwicklung von Baufinanzierungen. Heute klickt man sich eher durch die Anwendungsmasken. Was für Neueinstellungen hilfreich ist, ist für gut qualifizierte Alteingesessene ein Graus. So haben sich einige Mitarbeitende um- bzw. neuqualifiziert. Sie sind weitergezogen in Richtung Wertermittlung oder Regulatorik und Banksteuerung – also in Bereiche, die einen hohen Personalbedarf haben.“

Flexibilität gefordert

„Insgesamt sind die Mitarbeiterzahlen im Bereich der Baufinanzierung daher gesunken. Doch angesichts der aktuellen Mengen sind es am Standort Hamburg immer noch zu viele. Hier ist Flexibilität gefragt“, berichtet Frommann. Sie haben aus der Not eine Tugend gemacht und kurzfristig andere Aufgaben übernommen:

  • Aufräumaktionen der Sparkassen unterstützt z. B. zu Datenpflege oder Deckungsstockprüfungen
  • andere Bereiche z. B. in der Marktfolge Passiv unterstützt, wenn ungewöhnlich hohe Mengen an Postrückläufern zu bearbeiten waren
  • Sonderthemen für Sparkassen abgearbeitet wie die Erstellung von Jahresbescheinigungen für Firmenkunden
  • administrative Aufgaben z. B. bei der Wertermittlung übernommen
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Auch an anderen Standorten wie Berlin setzt man auf Flexibilität. „Die Situation ist eigentlich genau die gleiche wie in Hamburg“, sagt Leiter Eric Höwel. Hier macht sich heute ein Konzept bezahlt, das es in Berlin schon länger gibt: die Allrounder. „Wir hatten vor dem Einbruch der Zahlen einige Allrounder im Einsatz, die längerfristig in der Baufinanzierung ausgeholfen haben. Ihre Kerneigenschaft ist es, sich schnell in neue Aufgabengebiete einzuarbeiten, dafür bringen sie die nötigen Skills mit. Als die Anträge massiv zurückgingen, konnten wir die Allrounder Stück für Stück weiterziehen lassen. Sie sind diese Veränderung und neue Aufgaben gewohnt und wünschen sich die Abwechslung in ihrem Arbeitsalltag.“

Auch die alteingesessenen Mitarbeitenden haben die Chance genutzt, neue Aufgaben kennenzulernen, z. B. im Bereich der Wertgutachten. Gleichzeitig wurde durch den Auftragsrückgang die natürliche Fluktuation abgemildert.

Bereichsgrenzen aufheben

Frommann hebt hervor: „Die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den anderen Bereichen ist wirklich bereichernd und eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Wir dürfen nicht mehr davon ausgehen, dass wir in Zukunft nur ein und dieselbe Aufgabe übernehmen, sondern auch mal in andere Themen reinschnuppern. Ein großer Marktfolge-Dienstleister wie wir hat hier natürlich richtig gute Möglichkeiten, Mehr- und Mindermengen zu kompensieren. Die Durchlässigkeit von Bereichen gepaart mit der Flexibilität von Mitarbeitenden führt uns zum Erfolg.“

Wie könnte es mit der Baufinanzierung weitergehen? Manche Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass nicht unbedingt Kauf- oder Neubauvorhaben neue Kreditabschlüsse bringen werden, sondern insbesondere Investitionen zur Modernisierung von Bestandsimmobilien. „Wenn für die Umsetzung des neuen Heizungsgesetzes Förderprogramme mit der KfW geschaffen werden, dann brennt bei uns wieder die Hütte“, prognostiziert Frommann. Es ist daher wichtig, das Personal kurzfristig anders auszulasten und langfristig zu halten.

Wie bleiben Mitarbeitende motiviert?

„Der Teamgeist macht viel aus“, erzählt Frommann. „Die Mitarbeitenden motivieren sich untereinander und probieren sich teils einfach aus. Oft machen dann im Team auch vermeintlich unschöne Aufgaben Spaß.“ Weitere Motivationstipps sind:

  • sich bereichsübergreifend als Team zu verstehen und sich gemeinsam für den Unternehmenserfolg verantwortlich zu fühlen
  • Wertigkeit von Aufgaben: Jede ist gleich wichtig!
  • Mitarbeitende und ihre Bedürfnisse ernst nehmen, fördern und fordern und den Einzelnen da motivieren, wo er es braucht
  • Historie, d.h. Berufserfahrung und Know-how wertschätzen
  • offene transparente Sinnkommunikation

„Ganz wichtig ist es, Veränderung als Chance zu begreifen. Ich sage meinen Mitarbeitenden immer: Es gibt so viele Jobs bei uns im Unternehmen. Was für ein toller Arbeitgeber ist das?! Man kann sich ausprobieren und weiterentwickeln. Mitarbeitende, die sich mit diesem Geist auf die Veränderungen einlassen, sind gut gerüstet für die aktuellen Herausforderungen“, ist Kathrin Fromman überzeugt.